Menschenrechte der Frauen
Verletzung ihrer Menschenrechte
Olympe de Gouges

Hannelore Schröder
Warum wir Frauen unsere Wahlstimmen verweigern müssen
(1976)

Eine Legislaturperiode geht zu Ende: im Herbst sind Bundestagswahlen. Die Männer-Parteien, ihre Abgeordneten (Diäten: DM 10.000,- im Monat) und Minister erinnern sich plötzlich daran, dass sie zwecks Fortsetzung ihrer Karrieren und Sicherung ihrer Privilegien auf Wählerinnen-Stimmen angewiesen sind, was sie während der vergangenen vier Jahre völlig vergessen hatten.
Die Taktik der Frauen-Verdummung, das dreiste Geschwafel darüber, was sie angeblich für die weibliche Bevölkerung getan haben, die schamlose, verlogene Anpreisung ihrer selbst mit Versprechungen, die sie nie gehalten haben - und nie halten werden - erreicht seinen widerlichen Höhepunkt.
Schon verpulvern alle Parteien Millionen Steuergelder für ihrem Wahlkampf,  schon setzen sie grosse Anzeigen mit unverschämten Reklame-Sprüchen in die Zeitungen.

Die FDP, die liberalen Bürger-Patriarchen
So missbraucht die FDP ein Bild von Elisabeth Lüders mit der dreisten Behauptung:
"Immer wenn es galt, Frauen gleiche Rechte und Chancen zu verschaffen, waren die Liberalen voran!"  Das ist eine Propaganda-Lüge. Tatsache ist, dass sie sogar nach dem zweiten Weltkrieg, noch 1948, gegen das - nur formale - Gleichheitsgebot der "demokratischen" Verfassung stimmten! Aber jetzt ist es opportun, so zu tun als wären sie eine Partei von Feministen!? - Es ist wirklich ganz neu, dass die liberalen Partei-Herren sich um "gleiche Rechte und Chancen" des weiblichen Volkes kümmern.
In Wahrheit gehen sie damit "voran", Krankenkassen-Kosten auf dem Rücken der Frauen einzusparen - nicht etwa zu Lasten der Ärzte und der Pharma-Industrie, denn dazu gehören sie selbst! Sie sparen lieber auf Kosten der ärmsten Frauen, Grossmütter und anderer weiblicher Verwandter: Es ist der "Wahlschlager" der ober-bayrischen FDP, die Bezahlung der Hausarbeit im Falle der Krankheit von Hausmüttern - ganze DM 5,-- Stundenlohn - zu streichen! Die FDP geht also "voran", Sparpolitik auf dem Rücken der allerärmsten Frauen zu betreiben!
Die FDP geht auch "voran" in der schändlichen Praxis nicht eingehaltener Wahlversprechen - gegenüber ihren Wählerinnen: vor der letzten Wahl hatte Patriarch Scheel (der dank Frauen-Stimmen nun in wahrhaft fürstlichem Stil präsidiert) versprochen, dass die FDP dafür sorgen werde, dass noch eine (!) Frau einen Ministerposten erhält, wenn die FDP 8 % der Stimmen gewinnt: Frauen-Stimmen, die auch mit dem Versprechen der Fristen-lösung (Paragr. 218 StGB) geködert wurden. Als die Partei ihr Ziel erreicht hatte und dank Frauenstimmen in die Koalitionsregierung kam, wurden die Ministerposten unter den Herren verteilt: der versprochene eine Posten für eine Ministerin war vergessen! - Und die FDP-Frauen-Mitglieder liessen es sich bieten. - Für wie dumm hält die FDP ihre Wählerinnen?
In der FDP-Bundestagsfraktion sind nur zwei Frauen: von den Frauen-Wahlstimmen profitieren praktisch nur die FDP-Patriarchen! Ohne diese Frauenstimmen wären sie unter die 5 % Grenze gefallen, politisch weg vom Fenster!
Diese Partei, die immer die Interessen kleiner und grosser Eigentümer und hoher Beamter vertritt, wird nie die Interessen von Frauen vertreten, denn die besitzen  in der Regel kein Privateigentum, ja nicht einmal Lohn: Millionen Hausfrauen/Mütter; Ehefrauen arbeiten ohne Lohn, auch die sogenannten "mithelfenden Familien-angehörigen", die die Unternehmer-Familienväter ausbeuten - ohne Lohn zu zahlen! Die ökonomischen und politischen Interessen der FDP-Herren sind also völlig unvereinbar mit den  Interessen der eigentumslosen und rechtlosen Frauen! Daraus folgt: die FDP-Familienväter können und wollen nicht die Interessen von Ehefrauen/Müttern vertreten, die sie ja selbst ausbeuten und entrechten. Männer-Kandidaten sind daher nicht geeignet, "Volksvertreter" des weiblichen Volkes zu sein. Die FDP, Verfechter der ganz "freien Markt-wirtschaft", die angeblich sozial ist, verficht das "System" der freien Eigentümer- und Lohnarbeiter-Patriarchen, auf der untersten Basis unfreier, ungleicher Frauen: es ist so "sozial", dass es Frauen, allein weil sie weiblich sind, in dreifacher Anzahl… erwerbslos macht; ihre Marktwirtschaft ist so "frei", dass Unternehmer Frauen noch schlechter bezahlen als Gastarbeiter: 35-45 % weniger Lohn für Frauen - als für Männer! Die FDP, die Männer- und Eigentümer-Partei hat daher überhaupt kein Interesse daran, dass diese schreiend ungleichen Rechte und Chancen der Frauen mit gesetzlichen Mitteln bekämpft werden. Ganz im Gegenteil. Der Protest gegen diese Formen extremer Ausplünderung weiblicher Arbeitskräfte kommt seit Jahren aus der neuen feministischen Bewegung - nicht aus der FDP, der SPD oder der Gewerkschaften. Diese für Frauen völlig unfreie und unsoziale Marktwirtschaft wird von der FDP verteidigt, ja als "effektivste Produktionsweise" gepriesen: effektiv für Eigentümer-Familienväter, auf Kosten von Frauen!
Die FDP hat bereits jetzt angekündigt, dass sie bereit ist, mit der CDU/CSU zu koalieren - so "voran" ist diese Partei, wenn es um ihren Anteil an der Staatsmacht und die Sicherung der Privilegien der Partei- und Wähler-Patriarchen geht! Frauen, die FDP wählen, wählen also CDU! Sie sollten sich keinen Sand in die Augen streuen lassen! Wie die FDP in Koalition mit der CDU "Frauen gleiche Rechte und Chancen" zu verschaffen gedenkt, ist verquere Logik, ein schmutziger Witz.
Feministinnen fragen sich, warum FDP-Frauen die Doppelzüngigkeit, Verlogenheit und den Zynismus ihrer Partei-Herren immer noch hinnehmen, weiter mitfinanzieren, mit ihrer Arbeit und Stimme unterstützen.

Sein oder Nicht-Sein, das ist die Frage

Was immer Frauen wählen, sie wählen Patriarchen an die Macht.
Feststeht, was wir Frauen auch wählen, es kommen immer Patriarchen, Frauenfeinde an die Macht: sie sind alle mehr oder weniger christlich, frauenfeindlich, d. h. in allen Frauen betreffenden Problemen egoistisch und reaktionär: ihre Frauenpolitik ist nicht nur nicht progressiv, sie sichert nicht einmal den jetzigen Status der Frauen, sondern wirft sie massiv zurück! Frauen, die sie wählen, wählen die patriarchale, antifeministische Reaktion - und versehen sie noch obendrein mit ihrer "Zustimmung", die die Herren zur Legitimation brauchen. Vom Standpunkt und Interesse der Frauen aus, sind alle Parteien reaktionär: sie sagen es alle täglich ungeniert.

Die SPD: die sozial-demokratische Partei der Lohnarbeiter-Patriarchen
Auch Bundeskanzler Schmidt hat bereits ins Auge gefasst, dass eine grosse Koalition wieder möglich ist. Frauen, die SPD wählen, wählen also ebenfalls die CDU/CSU an die Macht! Sicher ist, die Patriarchen aller Parteien werden sich auf dem Rücken der Frauen einigen, so wie das in der letzten Legislaturperiode der Fall war: im Ehe- und Scheidungsrecht, Strafrecht (Paragr. 218 ff StGB) und in vielen anderen Frauenfragen. Die SPD hat die Kirchen in abstossender, kriecherischer Weise hofiert, sodass es gerechtfertigt ist festzustellen, sie ist selbst so christlich wie diese: im Zweifelsfalle immer gemeinsam gegen Frauen.   
Die SPD spielt nicht nur ein übles Spiel mit ihren Wählerinnen, sondern auch mit ihren weiblichen Mitgliedern: der politische Antifeminismus, der in der SPD überall manifest ist, geht ganz und gar konform mit dem aller anderen Parteien, denn es gibt eine deutliche Interessen-Identität aller Patriarchen - gegenüber allen Frauen; also auch gegenüber weiblichen Parteimitgliedern und den eigenen Ehefrauen, die offenbar noch immer politische und persönliche Illusionen haben.
Auf die Frage, "Was ist Antifeminismus?" gilt noch immer die Antwort, "Der Wille zur Reinheit der Männerbünde", nur insofern modifiziert, als die Männer-Parteien Mittel und Macht haben, ihre weiblichen Mitglieder als politische Dienstmädchen zu benutzen und auszubeuten, aber Parlamente, Regierungen, hohe Beamten-Posten, alle Machtpositionen von Frauen rein zu halten: der Bundestag ist inzwischen von Frauen fast völlig gesäubert! Es werden immer weniger weibliche Abgeordnete! Es lohnt sich für Frauen wirklich nicht, dass Millionen zur Wahlurne gehen, potentiell 53 % der Wahlstimmen einbringen, damit ganze 5 % weibliche Abgeordnete ins Parlament kommen - aber 95 % Männer, die ihre Wählerinnen verraten und verkaufen!  
Und diese 5% Frauen werden von den Männer-Fraktionen gegeneinander gehetzt, müssen sich an die Parteipolitik und Fraktionsdisziplin halten, die ihnen von den Partei-Führern verordnet wird: folglich können sie - die winzige Minorität - nicht das geringste für die Wählerinnen ausrichten, selbst wenn sie es wollten, selbst wenn sie ein feministisches Bewusstsein hätten. Sie haben nur die Funktion, dem Patriarchen-Regime zur Entschuldigung, als Alibi und Lockvögel zu dienen.
Es wird jedoch noch deutlicher, dass Frauen in dieser angeblichen Demokratie in Wahrheit unter der Diktatur der Patriarchen leben, wenn gar keine Frau mehr im Parlament sitzt. Die Rechtlosigkeit und Machtlosigkeit, die Entmündigung aller Frauen ist dann offensichtlicher als jetzt, wo noch immer dreist behauptet wird, es sei die Schuld der Frauen selbst, dass sie nicht gewählt werden, dass sie nicht auf günstigere Listenplätze kommen. Sie können gar nicht gewählt werden, da die Partei sie nicht kandidieren lässt, da Männer Männer eklatant bevorzugen, auch wenn sie dumm und korrupt sind. - Die SPD hat etwa 200.000 weibliche Mitglieder, darunter sind ja wohl 200 fähige Frauen, die Abgeordnete werden könnten - wenn die Partei-Patriarchen das zuliessen! Herr von Oertzen hat - wenigstens ehrlich - in aller Öffentlichkeit (Fernsehen) und Deutlichkeit gesagt: Die SPD ist eine Partei der Patriarchen, die die Partei-Frauen diskriminiert. Fähige Frauen in der SPD werden aufgrund ihres Geschlechts zugunsten von Männern zurückgesetzt. Also müssen Feministinnen, alle Frauen sich weigern, diesen "Genossen" ihre Stimme zu geben. -
Es ist der Einwand gemacht worden, Frauen müssten (!) SPD wählen, um den Rechtsruck aufzuhalten. Dem ist zu entgegnen: Erstens,  wir Frauen befinden uns immer schon im Rechtsruck - gegen uns. Wie die Dinge liegen, ist für uns zwischen SPD- und CDU/CSU-Rechtsruck kein Unterschied, lediglich der, dass die SPD ihren Antifeminismus besser tarnt, politisch noch unehrlicher ist.
Zweitens, müssen wir uns fragen, ob es unsere Aufgabe ist, mit unseren Wahlstimmen die SPD-Patriarchen vor den CDU-Patriarchen zu retten. Ich denke, nein. Ich denke vielmehr, wenn überhaupt, dann wird die SPD nur in der Opposition und unter einer CDU/CSU-Regierung lernen, dass sie ohne Frauenstimmen nicht an die Regierung kommt und dass sich Wählerinnen nicht mehr straflos politisch betrügen lassen - wie das in der letzten Legislaturperiode wieder geschehen ist; und wie es geschieht, seit Frauen in der SPD dieser zuarbeiten. Die SPD hat ihren politischen Antifeminismus erst noch zu erkennen - und das tut sie nicht, wenn sie an der Macht ist; in der Opposition allerdings auch nicht, wie die lange Vorgeschichte zeigt!
Drittens, viele Frauen haben bei der letzten Bundestagswahl SPD oder FDP gewählt und dennoch ist diese Reaktion, dieser Rechtsruck - gegen  Frauen gekommen, weil die SPD und FDP selbst die Reaktionäre sind, die sich nur in Nuancen von der CDU/CSU unterscheiden. - Im Verhältnis zu uns Frauen hat sich die Koalition als unfähige, reaktionäre und zynische Regierung erwiesen, unter deren Regierungsmacht sich die Situation der Frauen rapide verschlechtert hat.

Was hat uns Frauen die letzte Regierung gebracht?
Erstens, mit Sicherheit mehrere Tausend Tote infolge illegaler Abtreibungen und Abtreibungsqualen für Millionen Frauen, ohne dass die Regierung Massnahmen zur Abhilfe dieses massalen Notzustandes ergriffen hat.
Zweitens, Frauenerwerbslosigkeit in überproportionalen Ausmassen allein auf Grund weiblichen Geschlechts, nicht wegen mangelnder Ausbildung, ohne dass die Regierung Massnahmen zugunsten dieser Frauen auch nur eingeleitet hat, im Gegenteil: Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Ausbildungsförderung für Frauen werden an Bedingungen geknüpft, die Frauen nicht erfüllen können: folglich können sie diese Sozialleistungen nicht für sich nutzen. Von der Frauenfeindlichkeit der Arbeitsämter zu schweigen! - Wenn Bundeskanzler Schmidt dennoch vom "unbestritten besten System sozialer Sicherungen der Welt" (Der Spiegel) spricht, so ist das bestens nur für Männer, für Frauen nicht!  Frauen fragen: ist er so ignorant oder so zynisch? Wie weit ist er entfernt vom Elend der Frauen, die von diesen "sozialen Sicherungen" weitgehend ausgeschlossen sind, deren ungleiche Löhne und Arbeitsbedingungen sich rapide verschlechtert haben, die weniger verdienen als Gastarbeiter, die als letzte  Lehrstellen bekommen und überall als erste entlassen werden.
Drittens, die Ausbildungschancen für Mädchen und Frauen haben sich durch rigorose Einsparungen im Bildungssektor erheblich verschlechtert: unter den schon vorher sehr ungleichen, nun weiter verschärften Bedingungen an Schulen und Universitäten  leiden die am meisten, die ohnehin einen äusserst schweren Stand haben. Frauen, die neben dem Studium ein Kind aufziehen, bleiben hoffnungslos auf der Strecke: ihre Doppelbelastung zählt nicht, wenn es um Semester-Zahl und Stipendien geht; sie werden zwangsweise exmatrikuliert, wenn sie durch die Last eines 16-Stundentages nicht so schnell studieren, wie Studenten - ohne Kind. Stipendien-Kommissionen teilen studierenden/promovierenden Frauen ungeniert mit, dass "soziale Gründe (Doppelbelastung, Kind, Haushalt) nicht berücksichtigt werden". Auf diese diskriminierende Art und Weise, kann man Frauen aus der Universität selektieren, noch mehr dezimieren, auch ohne Sondergesetze, wie die Nazis. - Und das ist die Praxis in einem SPD-regierten Land wie Hessen.
Viertens, die Grundrechte aller Frauen wurden 1975 durch das Karlsruher Urteil zum "Reformgesetz"  
Paragr. 218 ff StGB nun auch formal abgeschafft (realisiert waren die Grundrechte für Frauen noch nie) und zwar durch klerikale Auslegungen. Es ist festzuhalten, dass die SPD für die personelle (männliche!) Zusammensetzung der Kammern des Bundesverfassungsgerichts mitverantwortlich ist!  Die SPD ist ausserdem verantwortlich für dieses schändliche Urteil, weil auch sie die Meinung vertritt, dass ein "befruchtetes Ei" vor den betroffenen Mädchen und Frauen verfassungsrechtlich und strafrechtlich geschützt werden muss. Und das, obwohl dergleichen grober Unsinn nicht in der Verfassung steht!
Es ist nicht zu vergessen, dass es SPD-regierte Lander waren, in denen Polizei-Razzien auf Frauen-Zentren gemacht wurden - in Frankfurt und Bremen z. B.: dass die regierenden "Genossen" scharf gegen die Frauen durchgriffen, die in mühsam organisierter Selbsthilfe versuchen, das Leben von Frauen in Not zu retten; dass in Bremen die Polizei mit gezogenen Pistolen - sogar ohne Hausdurchsuchungsbefehl - das Frauen-Zentrum stürmte. Schlimmer kann es für uns Frauen unter einer CDU-Regierung auch nicht werden, ob auf Landes- oder Bundesebene.
Ich habe nicht die Absicht, jemals  wieder diese Sorte "Genossen" zu wählen.
Es ist gesagt worden, Frauen müssten trotz allen Antifeminismus' der SPD diese Partei wieder wählen, um die Sympathien von SPD-Frauen nicht zu verlieren, die auf kommunaler Ebene manchmal mit Frauen der Bewegung im Gespräch sind.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es gar keine neue Frauenbewegung gäbe, wenn sich alle Frauen auf dem bedauerlichen Bewusstseinsstand der SPD-Frauen befänden: die feministischen Frauengruppen sind alle viel mutiger als die - feigen SPD-Frauen. Und die sind es, die sich  überlegen müssen, ob nicht ihr Opportunismus, ihre Inkonsequenz und Unterwürfigkeit die Feministinnen der Frauenbewegung abstossen muss. Jede SPD-Frau muss sich fragen lassen: wer vertritt die Interessen der Frauen? Die SPD - oder die Feministinnen?
Wenn sie ehrlich sind, müssen sie einräumen, dass es die feministische Bewegung ist; folglich müssen sie sich fragen (und wir sie), warum sie nicht hier mitarbeiten, sondern noch immer in der Patriarchen-Partei, wo sie ihr Geld, ihre Zeit und Kraft verausgaben, um Männern die Steigbügel zur Macht zu halten, Männern, die nichts, aber auch gar nichts für Frauen generell tun; Partei-Männer, denen es sogar völlig gleichgültig ist, wie viele Frauen jährlich qualvoll an Abtreibungen sterben!
SPD-Frauen müssen sich entscheiden in der Frage, wo sie denn eigentlichen stehen: es geht nicht länger an, opportunistisch mit einem Bein in der Männer-Partei, mit dem anderen in der Frauenbewegung stehen zu wollen - und bei jeder Gelegenheit Fraueninteressen und Feministinnen zu verleugnen, in deren Aufwind sie in ihrer Partei dringendste Frauenfragen überhaupt erst  auf den Tisch bringen konnten - wovon die Partei-Herren sie  schnell wieder herrunterfegen!
Selbst wenn wir SPD-Frauen ins Parlament wählen könnten, käme das den SPD-Patriarchen zugute, weil sie durch Fraktionsdisziplin jede Abgeordnete zwingen, alle Frauen-Interessen zu verleugnen und weil die winzige Minderheit weiblicher Abgeordneter politisch überhaupt nichts ausrichten kann, vorausgesetzt, sie wollte es überhaupt.
Der politische Antifeminismus der SPD muss ganz deutlich gemacht, jede Illusion, dass die Wahl dieser Partei auch nur eine winzige Chance für Frauen bedeutet, zerstört werden, denn das "Freihalten" des Parlaments, der Regierungen, des höheren öffentlichen Dienstes, der Gerichte, der öffentlich-rechtlichen Anstalten (Funk und Fernsehen) der Universitäten, Polizei…zugunsten von Männern, nur weil sie das "richtige" Geschlecht haben, nicht etwa, weil sie besseres leisten, diese offensichtliche Alleinherrschaft und Begünstigung der Patriarchen, ist tägliche Praxis der letzten Jahre gewesen.
Sollen Frauen diese Antifeministen, diese Herren auch noch wählen? -  Ihre Alleinherrschaft auch noch mit   
ihren Wahlstimmen legitimieren? - Ich gebe diesen  Herrschern doch nicht auch noch den Triumph meiner Zustimmung! - Sie sollen nicht auch noch sagen können, dass sie mit Frauenstimmen an der Macht sind: "Wir gewählten Volksvertreter", dass sie sich auf unsere Zustimmung zu ihrer Machtausübung über uns berufen können.

Was ist der Sinn des Wählens?
Im Gegensatz zur absoluten Herrschaft eines Königs von Gottes Gnaden und zur Diktatur eines Einzelnen soll Demokratie - die Herrschaft des Volkes - gesichert werden, indem die Regierten den Regierenden ihre Zustimmung erteilen: nur dann ist eine Regierung rechtmässig. Wer jedoch "das Volk" ist, bestimmen bis jetzt Männer. Frauen wurden lange Zeit gar nicht als Menschen, nicht als Teil des Volkes betrachtet, sondern als Eigentum, Zubehör des Haushalts der "Familienhäupter". Im Prinzip ist das so geblieben, unter anderem deshalb, weil die patriarchalen Parteien die Ausübung des passiven Wahlrechts des weiblichen Volkes nicht zulassen, in der politischen Praxis seit 1918 (fast) ganz abgeschafft haben. Es ist so geblieben, weil die Familienväter-Parteien sich dadurch ihr  ungebrochenes Monopol auf die Regierungsmacht, Gesetzgebung, Justiz und ausführende Gewalt - trotz Frauenwahlrechts - erhalten und gesichert haben, ein Monopol, das Frauen nicht durchbrechen können, so lange sie keine eigene Partei aufbauen: Volksvertretung des weiblichen Volkes durch sich selbst, durch eigene Interessen-Vertreterinnen, ist so völlig unmöglich gemacht.
Wir Frauen sind bei jeder Wahl gefragt, ob wir für die jeweils kommende Legislaturperiode unsere Zustimmung dazu geben, dass wir weiterhin von den Parteien der Familienväter oder Patriarchen regiert werden. Nur mit der Zustimmung der Wählerinnen ist die Regierungsmacht legitim und legal.
Da diese Parteien nur Männer-Interessen  - und keine Fraueninteressen vertreten, müssen Frauen ihre Zustimmung, ihre Wahlstimmen verweigern. Frauen haben gar keine Wahlmöglichkeit, weil Volks-vertreterinnen, die tatsächlich Frauen-Interessen vertreten, ausgeschaltet sind - durch die Männer-Parteien von rechts bis links: wir können nur frauenfeindliche Partei-Kandidaten "wählen", haben also keine Wahl!
Da SPD und CDU/CSU in gleicher Weise antifeministisch sind, haben wir nichts zu wählen. Im Gegenteil, wir müssen durch Verweigerung unserer Wahlstimme demonstrieren, dass wir die politische Herrschaft der Patriarchen-Parteien über die weibliche Bevölkerung entschieden ablehnen - statt dieser Patriarchen-Regierung auch noch zuzustimmen. Durch unsere Stimmabgabe sollen wir bestätigen, dass wir bereit sind, uns weitere vier Jahre von "sozialdemokratischen" (weder sozial noch demokratisch!) und/oder "christlichdemokratischen" (weder christlich noch demokratisch!) Partei-Patriarchen regieren zu lassen, deren Eigeninteressen zu Frauen-Interessen in scharfem Widerspruch stehen. Es ist vielmehr allgemeines politisches Frauen-Interesse, diesen Parteien nicht länger zur alleinigen Regierungsgewalt zu verhelfen, sondern unsere eigenen  Interessen-Vertreterinnen ins Parlament zu wählen. Nur Frauen-Wahlstimmen machen die Männer-Regierung zur scheinbar rechtmässigen; scheinbar, weil das weibliche Volk in dieser "demokratischen Volksvertretung" gar nicht vertreten ist. Ein Parlament, eine Regierung aber, die von der Mehrheit des Volkes, den Frauen nicht gewählt ist, ist illegitim, unrechtmässig. - Sind wir noch immer bereit, den Männer-Regierungen mit unseren Wahlstimmen den Schein von Rechtmässigkeit zu verleihen?  Nein, nicht länger. Nach fast sechzig Jahren des formalen Frauen-Wahlrechts, des Missbrauchs, der Benutzung und Ausnutzung des aktiven Frauen-Wahlrechts zur Fortsetzung des Machtmonopols der Männer-Parteien - ist das Mass voll!
Jene unabhängigen, kritischen Frauen, die so lange gegen den bösartigen Widerstand aller Männer gegen das Frauen-Wahlrecht gekämpfen mussten, hatten nicht die Absicht, mit ihrem Wahlrecht die Fortdauer der Herrenrechte zu unterstützen: ihr Wahlrecht sollte den Interessen der Frauen (und Kinder) dienen.
Dafür hat sich die erste feministische Bewegung, in Frankreich seit 1791, in Deutschland seit 1848 eingesetzt. Aber Frauen sind von den antifeministischen, undemokratischen Männer-Parteien, die das passive Frauen-Wahlrecht praktisch abgeschafft haben, gezwungen worden, Männer zu wählen, weil diese die Kandidatur von Frauen mit aller Macht verhindert haben und weiterhin verhindern: wirklich demokratische, gleichberechtigte weibliche Volksvertretung war nie die politische Absicht der alleinigen Machthaber: eine oder zwei Alibi-Frauen gelten ihnen immer noch als hinreichender "Beweis" ihrer "demokratischen" Gesinnung gegenüber der verachteten weiblichen Mehrheit des Volkes. Die Parteien-Propaganda mit ihren überwältigenden Mitteln redet    viele Frauen - wider besseres Wissen und schlimme Erfahrung - bis heute ein, ihre Herren und Nutzniesser würden doch auch ihre Interessen vertreten. Ein unversöhnlicher Widerspruch!
Frauen hatten also seit 1918 noch gar keine Wahlmöglichkeit, keine Wahl zwischen unseren eigenen Interessen-Vertreterinnen und Männern, die offensichtlich immer nur ihre 'höheren' Interessen verteidigen, ihre alten Privilegien absichern. Es ist daher nicht im Frauen-Interesse, wieder männliche Kandidaten zu Abgeordnete zu wählen, die keine noch so dringenden Frauen-Belange vertreten, obwohl das der Auftrag ihrer Wählerinnen ist. Frauen müssen sich also endlich selbst vertreten. - Jede neue Regierung ist  nur legitim, wenn wir, die regierten Frauen ihr durch unsere Wahlstimmen unsere Zustimmung erteilen, tun wir das nicht länger!.
Die Ausschaltung der Frauen aus Parlamenten und Regierungen stellt eine Umgehung und Missachtung der Verfassung, der Prinzipien einer Demokratie - Herrschaft des Volkes - dar. Wenn 53 % des Volkes ausmanövriert werden, herrscht keine Demokratie, sondern die "Aristokratie des männlichen Geschlechts": ein illegitimes Regime. Dieses offensichtlich undemokratische System muss ausdrücklich als solches gekennzeichnet und benannt werden: das geschieht, wenn Frauen sich weigern, die ihnen von  Männer-Parteien aufgezwungenen Männer-Kandidaten als "Volksvertreter" des weiblichen Volkes zu legitimieren, zu wählen. Wir Frauen wollen uns endlich selbst vertreten! Die patriarchale Vormundschaft durch patriarchale Abgeordnete in den Patriarchen-Regierungen, die den Interessen des weiblichen Volkes (und der Kinder) viel zu lange schon zuwider handeln, muss ein Ende haben.
Sind wir Frauen noch länger gewillt, dieser Alleinherrschaft durch einen scheindemokratischen Wahlakt die Legitimation zu geben?
Wenn Frauen massenhaft ihre Wahlstimmen verweigern, sagen sie damit politisch eindeutig, dass sie die bis jetzt auf diese Art zustande gekommenen  Regierungen nicht länger als rechtmässig anerkennen! Diese kann sich auf ihre ausführende bürokratische und polizeiliche Gewalt stützen - aber legitim, "demokratisch" kann sie sich nicht mehr nennen. Sie ist vom grössten Teil des Volkes nicht gewählt!
Die SPD-Patriarchen haben durch Benutzung der Frauenstimmen zu ihren Zwecken stets nur ihren Anteil an der Macht vergrössern wollen: Ihr Ziel war und ist die Mehrheit der Stimmen, die ganze Macht!
Das war der Beweggrund dafür, dass sie überhaupt - historisch sehr spät - den Anspruch der Feministinnen auf das Wahlrecht für alle Frauen nach dem ersten Weltkrieg formal "anerkannt" haben. An den gleichen Anteil von Frauen - gemäss ihrem Anteil am Volk - an Parlament, Regierung und Beamtenapparat haben sie selbst-verständlich nie gedacht (und denken sie bis heute nicht), sondern sie verhindern die Frauen-Volksvertretung. im Interesse ihres eigenen politischen Nutzens, eigenen Machtzuwachses.
Sagte doch der Partei-Führer Herbert Wehner: "Wir wollten immer die ganze Staatsmacht", die Alleinherrschaft, die Diktatur der Arbeiter-Patriarchen - über das weibliche Volk - mithilfe des Wahlrechts. Dazu sollte ihnen das Frauen-Wahlrecht dienen, denn die Lohnarbeiter-Männer waren niemals "die Mehrheit des Volkes". Mit dem Männer-Wahlrecht allein war die "ganze Staatsmacht" nicht zu erobern: nur aus diesem Grunde also Einführung des Frauen-Wahlrechts, also nur, um der Partei zu grösserem Machtanteil zu verhelfen. Da "die ganze Staatsmacht" nicht zu gewinnen war, befürwortete Wehner die grosse Koalition mit der CDU/CSU, den politischen Gegnern, um seiner Partei die halbe Macht zu verschaffen, - auf Kosten des ausgeschlossenen, machtlosen weiblichen Volkes.  
Das aktive Frauenwahlrecht ist für die Partei politisch sehr nützlich, da sie Wählerinnen nötigt, Männer zu wählen, während sie das passive Wahlrecht - gewählt werden - für Männer monopolisiert! So verdoppelt die Partei die Wahlchancen der Männer-Kandidaten - und schaltet Frauen aus! Die Zahl der männlichen Abgeordneten übersteigt bei weiten ihren Anteil an der Bevölkerung:  nur 47 % Männer okkupieren 90-95 %  Männer-Anteil an der "Volksvertretung", wodurch 53 % der Bevölkerung, Frauen, auf den höchst undemokratischen Anteil von nur 10-5 % an der "Demokratie" reduziert sind - als wären sie eine Minderheit!  Also haben die Partei-Männer grösstes Interesse daran, dass die Stimmen der Wählerinnen ihnen ihre Macht und Privilegien, Abgeordneten-Sitze, Minister-Posten, den Regierungsapparat sichern, folglich auch den gesamten Beamtenapparat, die Justiz  und ausführenden Gewalten, Schulen und Universitäten weiter beherrschen (wodurch sie die Macht ihrer Partei und Presse noch weiter ausbauen), kurz alles was Macht und Reichtum ausmacht in Händen halten. Könnten sie sich nur auf Männer-Stimmen stützen, fiele ihnen nur halb so viel Macht zu: sie rauben also den Wählerinnen ihren legitimen Anteil an den Sitzen im Parlament und folglich an der Gesetzgebung und Regierung, indem sie der weiblichen Bevölkerung das passive Wahlrecht, die Möglichkeit gewählt zu werden, geraubt haben. Wenn Frauen nicht länger SPD wählen, wird etwa die Hälfte der herrschenden "Genossen" nicht mehr ins Parlament einziehen, ihre Partei nicht an die Regierung kommen, nie mehr Hälfte der Macht, schon gar nicht die ganze erobern. Wenn Frauen überhaupt keine Männerpartei mehr wählen, ist deren Machtausübung die "demokratische" Legitimation ganz und gar entzogen: sie stünde offensichtlich da als das, was sie immer war und seit 1918 geblieben ist: Diktatur der Familienväter, der Patriarchen über das weibliche Volk!
Seit Frauen, die Mehrheit des Volkes, "wählen" können, verhindern, ja sabotieren die Patriarchen-Parteien mit aller Macht, dass die weibliche Bevölkerung ihren legitimen, gleichen politischen Anteil an Parlament und Regierung, an Gesetzgebung, Justiz und ausführender Macht durch Selbstvertretung verwirklichen kann. Sie verhindern mit Mann und Macht einzig wahre Demokratie, d. h. mit gleichberechtigter, demokratischer Beteiligung des weiblichen Volkes. Sie sichern sich ganz im Widerspruch dazu weiterhin ihre Alleinherrschaft, die sie vor Einführung des Frauen-Wahlrechts so lange ausgeübt haben. Das ist im Widerspruch zur Verfassung (die sie unter fast völligem Ausschluss der Vertreterinnen des weiblichen Volksteils verfasst haben!), im Widerspruch zum Gleichheitsgebot, das die Bevorzugung des männlichen Geschlechts - und die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts verbietet, im Widerspruch zu wahren demokratischen Prinzipien, also absolut unrechtmässig, illegitim.
Um das aufzuzeigen, um den gemeinsamen politischen Protest der Frauen gegen dieses Unrechts-Regime zu demonstrieren, dürfen Frauen diese Parteien nicht mehr wählen.

Unter dem Titel:
WAHLRECHT DER FRAUEN - CHANCE ODER FARCE?
Zur Diskussion: Wahlboykott, unsere einzige Alternative
wurde dieser Text erstmalig in leicht veränderter Fassung veröffentlicht in:
FRAUENFORUM, München, I/1976.
Das Typoskript wurde auch der Redaktion der Zeitschriften COURAGE, Berlin und EMMA, Köln zugeschickt, aber nicht publiziert.

Zum Thema siehe auch:
Flugblatt Frauenstreik

 

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